Kroatische Märchen

  • Godina izdanja: 2011.
  • Format: 17x24 cm
  • Stranica: 104
  • Uvez: Tvrdi
  • ISBN: 978-953-7534-26-4
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Kratki opis

Elf wunderschöne kroatische Märchen kann man nicht oft genug lesen, vorlesen und sich erzählen lassen.
Der Fuchs, der Kater, der Bär, das Froschmädchen und die kleine Fee warten auf kleine und große Märchenfreunde.

Inhalt:
Der Kater und die Füchsin
Der dritte Sohn aber war ein wahrer Räuber
Die Schlemmerin
Wie ein Soldat König wurde
Vom Hasen, dem Bären, dem Mann und dem Fuchs
Wie es der Diener dem Herrn heimzahlte
Das Gockelchen und seine Freunde
Der Jüngling und der Dämonenkaiser
Das Froschmädchen
Der Vogelfänger und die schwarze Krähe
Die kleine Fee

Die kroatischen Volkserzählungen, die wir für dieses Buch ausgewählt und angepasst haben, entstammen der Ausgabe Narodne pripovijetke. Pet stoljeća hrvatske književnosti (Volkserzählungen. Fünf Jahrhunderte kroatischen Schrifttums) (Matica Hrvatska, 1963), herausgegeben von Maja Bošković-Stulli. Es ist nicht leicht, sie in kurzen Zügen zu beschreiben und ihre Herkunft zu bestimmen, was allerdings nicht ungewöhnlich ist, da es ebenfalls sehr schwer ist, einen Begriff für Erzählungen mit solch verschiedenartigen Motiven zu finden, wie es z. B. die Märchen vom sprechenden Rosmarin oder dem Fröschlein, das sich in ein Mädchen verwandelt, sind, oder von dem jungen Räuber, der jede Schwierigkeit mithilfe seines Scharfsinns und ohne magische Helfer löst. Wie wir wissen, haben diese Erzählungen keinen Autor und sind auch nicht als literarische Texte anzusehen. Sie wurden vor hundert Jahren aufgeschrieben, als kroatische Erzähler sie erzählten, die sie von ihren Vorfahren hörten, die wiederum sie von ihren Vorfahren gehört hatten. Die Erzählkette ist wahrscheinlich unendlich lang; wer weiß, wer sie begonnen hat, und wie viele Personen die Märchen während des Erzählens verändert haben.
Die Schönheit mündlich überlieferter Geschichten – so auch der kroatischen – liegt in ihrer scheinbaren Schlichtheit. Obwohl wir sie schon lange kennen und sie uns wegen ihres Phantasiereichtums begeistern, fällt es uns nicht leicht, über sie zu sprechen. Zahlreiche Wissenschaftler versuchten, dieses Problem zu lösen. Die älteste Studie über eine mögliche Klassifizierung der Erzählungen, die Volksbräuchen und dem Volksglauben entsprangen, verfasste der niederländische Literaturtheoretiker André Jolles. In der Studie Einfache Formen (1929) teilt der Autor mündlich überlieferte Erzählungen in Märchen, Heiligenlegende, Sage, Mythos, Rätsel, Spruch, Kasus, Memorabile und Witz. Er definiert jede einzelne dieser Formen, während der Begriff „einfach“ von Jacob Grimm und dessen Theorie der Naturpoesie gegenüber der Kunstpoesie übernommen wird. Dementsprechend sind diejenigen Formen, die den Bräuchen und dem Glauben des Volkes entspringen, einfach, denn sie entstehen spontan, während die Kunstpoesie, die einen Autor hat, immer nach Kunst strebt. Aber die Kritiker bemerkten sofort, dass Jolles’ einfache Formen keine reinen ursprünglichen Ausdrucksformen sind, aus denen kompliziertere Literaturgattungen entstehen. Das bezieht sich in erster Linie auf die Volkserzählung, die in keinem ihrer Aspekte einfach ist, besonders wenn wir wissen, dass die Volkserzählung oft auch Märchen genannt wird, und dass das Märchen eine Form ist, deren Stil und Entstehung der Natur eines literarischen Textes näher steht.
Kroatische Wissenschaftler, die sich mit der kroatischen mündlichen Tradition befassen, stoßen ebenfalls auf ähnliche Schwierigkeiten. Die bedeutendste kroatische Wissenschaftlerin auf diesem Gebiet, Maja Bošković-Stulli, der wir die meisten der hier vorgestellten Erzählungen verdanken, bemerkt, dass man die Gattungen oder Arten mündlicher Tradition gewöhnlich nach Themen und Form einteilen kann. Da sie sich des irreführenden Begriffs „Märchen“ bewusst ist, bemerkt die Autorin, dass der Begriff „Erzählung“ Legenden, abenteuerliche und scherzhafte Geschichten des Alltags, ja sogar auch Fabeln einschließen kann, unabhängig davon, ob sie übernatürliche Elemente enthalten oder nicht. Das Verbindende sind ihr Stil und die sehr komplizierte Art und Weise auf welche sie entstanden und weshalb sie entstanden.
Offensichtlich ist nichts einfach bei diesen Volkserzählungen. Es gibt keine einfache Kontinuität aus einer „es war einmal“ Zeit bis zum heutigen Tag. Angeregt von dem Wunsch, alle Erkenntnisse und Erfahrungen einer Gemeinschaft zu bewahren und weiterzugeben, veränderten sich die Volkserzählungen, als sie von einem Erzähler zum nächsten, von einer Generation zur nächsten weitergegeben wurden, wobei sich ihre Aufgabe, Form, geographische Verbreitung veränderte und sich den gesellschaftlichen Umbrüchen anpassten, zum Beispiel der Umwandlung des Glaubens in Unglauben, weshalb ein Großteil der mündlichen Erzählungen nachträglich in Geschichten für Kinder umgestaltet wurde.
Wegen ihrer ungewöhnlichen und hartnäckigen Kontinuität gelangten die Volkserzählungen in Literatur und Historie, denn das gesprochene und das geschriebene Wort durchdringen sich und zeigen uns ein allgemeines Bedürfnis nach dem Erzählen von Geschichten und der Fähigkeit des Erzählens. Der Trojanische Krieg in Homers Ilias, der lange Heimweg des Odysseus in der Odyssee, der angelsächsische Krieger, der den Drachen besiegt im Beowulf, Chaucers Sammlung europäischer mittelalterlicher mündlicher Formen in den Canterbury Tales oder Boccaccios Aneignung von Erzählungen aus aller Welt in seinem Dekameron sind Beweise für die frühe Anwesenheit mündlicher Erzählungen und deren geschickte Einführung in Werke, die wir heute Literatur nennen. Auf kroatischem Boden finden wir ein gleichartiges Beispiel in der Schrift Ljetopis popa Dukljanina (Die Chronik des Priesters von Duklja), die im XII. Jahrhundert von einem katholischen Geistlichen in Bar verfasst und später im XIV. Jahrhundert auf dem Gebiet von Split – mit einigen Ergänzungen – vom Lateinischen ins Kroatische übersetzt wurde. Diese Chronik ist nicht nur das älteste erhaltene historische Dokument über die Geschichte von Kroaten und Südslaven, sondern es stellt gleichzeitig eins der ältesten Zeugnisse kroatischer mündlicher Tradition dar und wird auch als literarischer Text angesehen.
Als man sich Anfang des XIX. Jahrhunderts im Rahmen der europäischen Romantik für die Forschung ausschließlich mündlicher Tradition zu interessieren begann, wurde schnell klar, dass es schwierig sein würde, eine Methodologie zu finden, anhand derer man diesen Korpus angemessen wissenschaftlich untersuchen könnte. Nach den ersten Arbeiten der Brüder Grimm und ihrer mythologischen Theorie, nach der alle Erzählungen gleichen Ursprungs sind, gelangte man zu dem Versuch, die Erzählungen geographisch und geschichtlich klar abzugrenzen, kam weiter zu den strukturalistischen Theorien, der Psychoanalyse, den komparatistischen Studien, bis zur Begegnung mit noch lebenden Erzählern und der Betonung auf Kontext und Erzählweise. So entwickelte sich das Befassen mit der mündlichen Tradition zu einem sehr dynamischen Gebiet, das Wissenschaftler zahlreicher Disziplinen zusammenbringt. Ihre Nachforschungen lassen erkennen, dass die mündliche Tradition nicht nur von erdachter Vergangenheit, sondern auch von erdachter Gegenwart erzählt.
Die folgenden Volkserzählungen stellen nur einen winzigen Teil des Reichtums kroatischer mündlicher Tradition dar. Ihre Eigentümlichkeit entstammt den mannigfaltigen Berührungen mit der mitteleuropäischen, mediterranen, pannonischen und der Tradition des Balkans, da die kroatische Kultur ein Produkt verschiedener gesellschaftlicher und geschichtlicher Umstände ist. Andererseits ist es völlig unmöglich, die Märchen nach ihrer angenommenen, meist unsicheren Herkunft zu bestimmen. Sie sind kroatisch, weil sie in einem bestimmten Augenblick von einem kroatischen Erzähler, der sie in seinem Dorf gehört hatte, in dessen Mundart erzählt wurden.
Dass jedoch etwas Wichtiges während der Umgestaltung des Erzählten in einen geschriebenen Text verlorenging, entspringt der Mangelhaftigkeit des Geschriebenen. Das Schreiben schenkt dem gesprochenen Wort Ewigkeit, lässt aber den Erzähler verschwinden, der Verfahren benutzte, um das, was mit Worten nicht gesagt werden kann, zu ergänzen. Deshalb sollte man bedenken, dass die Erzählungen vom jähzornigen Kater, der verfressenen Tochter, von den „tapferen“ Kameraden des Hahns, vom Jüngling, der den teuflischen Kaiser betrog und viele andere dieser Sammlung früher einmal anhand von Mimik, Pausen, Flüstern und Gesten eines geschickten Erzählers vervollständigt wurden.
Und während der ursprüngliche Erzähler seit langem nicht mehr da ist, blieb das Bedürfnis nach dem Erzählen und dem Anhören von Erzählungen. Deshalb ist Zuhörer oder Leser dieser Geschichten jeder, der gewillt ist, nicht zu zweifeln und in eine Welt einzutreten, die Ungewöhnliches im Gewöhnlichen erkennt, in eine Welt, die uns schließlich lehrt, den jetzigen Augenblick zu schätzen und zu genießen.